Rinder pflegen unsere Landschaft. Wer sich im Weidegebiet bewegt, wird früher oder später auf Rindviehherden treffen. Die richtige Verhaltensweise gegenüber Rindernträgt dazu bei, Zwischenfälle zu vermeiden.
Weiden im Wandergebiet
Grundsätzlich haften Tierhalter für Schäden, die ihre Tiere verursachen, sofern nicht nachgewiesen wird, dass die gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung der Tiere angewendet wurde (OR, Art. 56). Dies bedeutet, dass Halterinnen und Halter von Rindvieh wie auch von Herdenschutzhunden eine Risikoanalyse mit entsprechender Massnahmenplanung und -umsetzung durchführen müssen, sobald Wanderwege durch ihr Weidegebiet führen.
Die BUL hat in Zusammenarbeit mit verschiedenen Branchenorganisationen entsprechende Ratgeber und Checklisten entwickelt, die Tierhalter in der Durchführung und Dokumentation der Risikoanalyse unterstützen.
- Informationsflyer Kuhmütter schützen ihre Kälber Download hier
Familie an erster Stelle!
Rinder sind grundsätzlich friedliche Tiere mit ausgesprochenem Familiensinn. Das Leben in ihrer Herde vermittelt Schutz und Sicherheit. Fühlen sich die Tiere bedroht und sehen insbesondere ihre
Jungtiere in Gefahr, wird die Herde gemeinsam verteidigt. Kommen Menschen – vorallem in Hundebegleitung – der Herde zu nahe, kann dies als Bedrohung wahrgenommen werden und die entsprechenden Reaktionen auslösen.
Rindviehverhalten lesen und verstehen
In Weidegebieten mit Wanderwegen sind Tierhalterinnen und Tierhalter dazu angehalten, diese nur mit geeigneten, ruhigen Rinderherden zu bewirtschaften und situationsangepasst weitere Begleitmassnahmen zu ergreifen. In der Verantwortung der Gäste liegt das richtige Verhalten gegenüber Tierherden. Drei einfache Regeln tragen dazu bei, das Risiko von Zwischenfällen wesentlich zu verringern.
Drei Regeln für mehr Sicherheit
1. Distanz halten
Rinder haben wie Menschen auch eine Individualzone, bzw. eine Sicherheitsdistanz. Wird diese unterschritten und fühlt sich das Tier dadurch bedroht, kann dies Verteidigungsreaktionen auslösen.
Die Sicherheitsdistanz ist von verschiedenen Faktoren abhängig und kann nicht in Metern beziffert werden. Generell kann gesagt werden, dass sich der Mensch innerhalb der Individualzone des Rindes
befindet, wenn es seine aktuellen Tätigkeiten wie fressen, wiederkäuen oder ruhen unterbricht und den Menschen plötzlich sehr aufmerksam beobachtet. Wird die Sicherheitsdistanz weiter unterschritten, können auch Warnreaktionen wie Schnauben, Kopfschütteln oder Scharren
hinzukommen, bevor die eigentliche Verteidigungsreaktion ausgelöst wird.
Generell gilt es also, ausserhalb der Sicherheitsdistanz zu bleiben, einen grossen Bogen um dieHerde zu machen und den Tieren so zu vermitteln: «Alles gut – ich bin keine Gefahr!».
2. Kälber nicht berühren
Eltern werden sofort reagieren, wenn ein unbekannter Mensch einfach das Kind im Kinderwagen oder auf dem Spielplatz anfasst. Genauso heftig wird auch eine Kuhmutter reagieren, wenn fremde Menschen auf ihr Kalb zugehen. Daher gilt: um Kälber einen grossen Bogen machen und nicht zwischen Kühen und Kälbern hindurchgehen.
Generell sollten auch erwachsene Tiere nicht berührt und nicht gefüttert werden. Allein durch Schlenkern des Kopfes, um eine Fliege zu vertreiben, kann ein Rind im ungünstigsten Fall einen Menschen heftig verletzten.
3. Hunde an der Leine führen
Hunde werden – unabhängig ihrer Rasse – durch ihr Aussehen und ihr Bewegungsmuster von Rindern als potenzielles Raubtier eingeschätzt. Der Begleithund muss daher möglichst unauffällig, ruhig und in grosser Distanz an der Rinderherde vorbeigeführt werden. Auf das Baden lassen in Tränken, o.ä. ist zu verzichten. Keinesfalls darf der Hund im Bereich der Herde rennen gelassen werden – denn auch wenn dies vielleicht beim eigenen Hund noch gut ausgeht, kann sich das dadurch aufgebaute Verteidigungsverhalten gegen die nächste Person mit oder ohne Begleithund richten.
Im Zweifelsfall wird geraten, umzukehren und in Hundebegleitung eine alternative Route zu wählen. Besonders in Gebieten mit Grossraubtiervorkommen kann es sein, dass Rinderherden massiv stärker auf Hundebegleitung reagieren. Ortsansässige Tourismusbüros können bei der Planung der Wanderung Informationen über geeignete Routen mit Begleithund geben.
Verhalten im Notfall
Das Risiko eines Zwischenfalls ist klein, wenn die drei obigen Regeln korrekt umgesetzt werden. Dennoch kann es passieren, dass man sich plötzlich ungewollt in einer Notsituation wiederfindet. Wichtig ist es dann, der Herde möglichst rasch, jedoch ohne zu rennen, und ruhig Platz zu machen, sich aus deren Sicherheitsdistanz zurückzuziehen und bei Bedarf hinter einem Zaun, hinter einem Baum, auf einem Felsen, usw. Schutz zu suchen. In unebenem Gelände empfiehlt es sich, hangaufwärts zu flüchten.
Ein zu Boden geworfener Gegenstand wie eine Jacke, ein aufgespannter Schirm oder ein Rucksack kann die Aufmerksamkeit der Tiere kurzfristig von der Person ablenken und damit wertvolle Sekunden zur Rettung verschaffen.
In Hundebegleitung richtet sich das Verteidigungsverhalten der Herde in erster Linie immer auf den Hund. Er sollte daher im Notfall sofort von der Leine gelassen werden, damit er flüchten kann, während man sich selbst zurückzieht und Schutz sucht. Leider kommt es in diesen Situationen jedoch oft dazu, dass der verängstigte Hund Schutz bei seinem Menschen sucht und damit die aufgebrachte Herde zurückbringt. Keinesfalls darf der Hund in einer solchen Situation auf den Arm genommen werden – im Notfall gilt es immer, den Hund möglichst von sich fernzuhalten!